Kategorien
deliberator Kabarett

Innenminister

Dieter Hildebrandt in seinem neuesten Buch »Ausgebucht – Mit dem Bühnenbild im Koffer«:

»Nie war die Beschreibung eines Innenministers objektiver und präziser als diese: ›Geborener Verräter, armseliger Intrigant, glatte Reptiliennatur, gewerbsmäßiger Überläufer, niedrige Polizeiseele, erbärmlicher Immoralist.‹ Aber mit einer ›bewundernswert beharrlichen Charakterlosigkeit«. »Ein Mann, der innerhalb einer Weltwende alle Parteien überdauert …‹ ›Charge des gerissenen Polzeiministers …‹
Und genauso glänzend und ähnlich grausam genau jene Beschreibung: ›Einer der außerordentlichsten und zugleich der am falschesten beurteilten Männer seiner Zeit, wurde erst in den Krisen zu dem, was er nachher war. Er erhob sich unter dieser Regierung zu jener Höhe, von der aus tiefe Männer die Zukunft zu erkennen wissen, indem sie die Vergangenheit richtig beurteilen; dann gab er mit einem Mal, wie manche mittelmäßige Schauspieler, durch eine plötzliche Erleuchtung aufgeklärt, ausgezeichnete Darsteller werden, während des Staatsstreichs Beweise seiner Geschicklichkeit.
Dieser Mann mit dem blassen Gesicht, welcher alle Geheimnisse der Partei kannte, der er anfangs angehörte und ebenso die anderen, zu denen er schließlich überging, dieser Mann hatte die Menschen, die Dinge und die Praktiken des politischen Schauplatzes langsam und schweigsam studiert. Weder seine neuen noch seine ehemaligen Kollegen ahnten in diesem Augenblick den Umfang seines Genies, das im Wesentlichen ein Regierungsgenie war; treffend in allen seinen Prophezeiungen und von unglaublichem Scharfblick.‹
Und abschließend wieder der Autor der ersten Beschreibung: ›Er lässt sich nicht gerne ins Gesicht und in die Karten sehen. Fast immer steckt er innerhalb der Ereignisse, innerhalb der Parteien hinter der anonymen Hülle seines Amtes so unsichtbar tätig verborgen wie das Uhrwerk in der Uhr, und nur ganz selten gelingt es im Tumult der Geschehnisse, an den schärfsten Kurve seiner Bahn, sein wegflüchtendes Profil zu erhaschen. Aber je verwegener in seinen Verwandlungen, um so interessanter trat mir der Charakter oder vielmehr Nichtcharakter dieses vollkommensten Machiavellisten der Neuzeit entgegen.‹
Es wäre ein Wunder, wenn wir einen derart grandiosen und heroischen Schurken, der sich in solch genialer Weise für unsere Sicherheit quer über die Schienen vor den Zug der Zeit wirft, in unserer Regierung aufweisen könnten. Können wir auch nicht. Die Beschreibungen stammen von Stefan Zweig und Honoré de Balzac. Und sie beschreiben den französischen Innenminister. Joseph Fouché, 1759-1820.«

(S. 21 f.; ich bin noch nicht weit gekommen, aber das Buch fängt sehr vielversprechend an.)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert